Die Magendrehung des Hundes

„Mein Hund wird immer dicker und versucht ständig zu erbrechen, es kommt aber nichts hoch“ – dieses Telefonat mit der Klinik lässt alle Alarmglocken schrillen, denn es ist die typische Beschreibung für ein bis heute noch nicht richtig verstandenes akut lebensbedrohliches Geschehen: Magenaufgasung und Magendrehung.

Bei großen Hunderassen steht die Magenaufgasung oder Magendrehung an erster Stelle der nicht altersbedingten Todesfälle. Davon besonders betroffen sind Dogge, Irischer Wolfshund, Irisch Setter, Akita, Standardpudel , Schäferhund, Boxer und Dobermann. Bei ihnen lässt die relativ lockere Aufhängung des Magens die Drehung überhaupt zu.

Eine weitere konstante Beobachtung ist, dass sie fast nur nachts auftritt. Nicht selten findet der Besitzer seinen Hund am Morgen tot im Zwinger liegend vor und denkt an eine Vergiftung, bis die Obduktion schließlich Klarheit schafft: Magendrehung.

Wie kommt es dazu? Am Beginn des Geschehens steht zunächst die Aufgasung: der Magen dehnt sich auf ein Vielfaches seiner natürlichen Größe und wird zu einem riesigen, gasgefüllten Hohlorgan. Schließlich dreht er sich um seine Längsachse, so dass Mageneingang und -ausgang wie eine abgedrehte Wursthülle verschlossen werden. Wovon kommt die Gasbildung? Ist es das Futter? Dagegen spricht, dass man Magenaufgasungen auch vorfindet, obwohl der Magen völlig leer ist. Außerdem hat man das im Magen vorgefundene Gas analysiert und festgestellt, dass es sich zu 95% um Luft handelt. Luft wiederum kommt nur in den Magen, wenn sie abgeschluckt wird. Warum der Hund dies tut, wissen wir nicht. Auch dies wäre noch nicht weiter schlimm, wenn sich die Luft wieder aus dem Magen entleeren würde. Tatsache ist aber, dass sich die Speiseröhre auch bei hohem Druck im Magen nicht öffnet.
Aufgrund einer Studie der Tufts University School of Veterinary Medicine, die 1914 große Hunde und Riesenrassen umfasst, wurden folgende Risikofaktoren erkannt:

  • Magere Hunde haben ein höheres Risiko als übergewichtige
  • Ab dem 5. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit an einer Magendrehung zu erkranken jedes Jahr um 20%. Für Riesenrassen gilt dies schon ab dem 3. Lebensjahr.

Folgende Fütterungsfaktoren spielen bei der Magendrehung eine wichtige Rolle

  • ängstliche, aggressive und nervöse Hunde schlucken mehr Luft und haben dadurch ein um 15% erhöhtes Risiko
  • eine einmalige Fütterung pro Tag erhöht das Risiko, dass das Lig. hepatogastricum, welches den Magen in Position hält, gedehnt wird.
  • reine Trockenfuttergaben, insbesondere mit hohem Fettanteil, erhöhen das Risiko um 170%
  • in den letzten 30 Jahren hat die Magendrehung stark zugenommen. In Australien und Neuseeland ist das Vorkommen viel geringer, weil weniger Trockenfutter gefüttert wird.
  • Es gibt keine Korrelation zwischen Häufigkeit der Magendrehung und Bewegung vor oder nach der Fütterung. Auch die aufgenommene Wassermenge enthält kein erhöhtes Risiko.

Aber das Wegstellen von Futter und Wasser erhöht das Risiko um 110%. Je mehr der Magen sich ausdehnt und die Bauchhöhle ausfüllt, desto mehr drückt er auf die hintere Hohlvene. Sie ist das große Gefäß, das den Blutstrom aus dem Körper zum Herzen zurückführt. Die Folge ist, dass das Herz plötzlich nur noch wenig Blut erhält, um es nach der Lungenpassage wieder in den Körper zurück zu pumpen. Der arterielle Blutdruck sinkt auf weniger als die Hälfte des Normalen. Innerhalb kürzester Zeit droht ein Schockzustand mit Kreislaufversagen. Was also ist die Sofortmaßnahme? Keine Sekunde verlieren, den Hund ins Auto laden und den nächsten, sofort erreichbaren und entsprechend ausgerüsteten Tierarzt aufsuchen. Dort angekommen, muss in schneller Reihenfolge der Magen entgast und der Kreislauf stabilisiert werden. Die Entgasung erfolgt zunächst durch eine Kanüle, die durch die Flanke in den Magen gestochen wird. Wenn eine ausreichende Druckentlastung erzielt ist, wird eine dünne Gummisonde eingeführt und durch Druck auf die Flanken der Magen vollends entgast.

Danach kann ein weitlumiger Plastikschlauch (mindestens 3/4 Zoll) eingeführt und der Mageninhalt abgehebert werden. Nach mehreren Magenspülungen mit jeweils 1-2l Wasser kann davon ausgegangen werden, dass der Mageninhalt vollständig entleert ist. Nun wird eine dünne Sonde durch die Nase bis in den Magen eingeführt, um eine erneute Aufgasung zu vermeiden. Gleichzeitig mit der Magenentgasung muss ein Venenkatheter gelegt werden, durch den große Mengen Infusionslösung zugeführt werden, um den arteriellen Druck wieder zu stabilisieren. Je länger der Blutdruckabfall bestehen bleibt, desto größer ist die Gefahr, dass lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen, sogenannte ventrikuläre Extrasystolen , entstehen. Eine postoperative EKG-Überwachung ist deshalb unbedingt notwendig, um gegebenenfalls mit entsprechenden Medikamenten gegensteuern zu können. Früher hat man solche Patienten sofort auf den OP-Tisch verbracht, den Magen geöffnet, entleert und dann an der seitlichen Bauchwand festgenäht. Man kann sich aber leicht vorstellen, dass ein derartiger Eingriff bei schon aufs Äußerste angespannten Kreislaufverhältnissen den Hund zusätzlich belastet. Daher empfehlen namhafte Experten inzwischen, die Entgasung und die Kreislaufstabilisierung wie oben beschrieben vorzunehmen, und die notwendige Operation – das Festnähen des Magens an der Bauchwand- ein oder zwei Tage später durchzuführen.

Ohne diese Fixation liegt das Risiko einer erneuten Drehung-Aufgasung bei 80%.