Die chronische Otitis des Hundes

Warum verläuft in vielen Fällen die Behandlung nicht zur Zufriedenheit des Besitzers, so dass dieser letztlich den Tierarzt wechselt? Weil die chronische Otitis eine komplexe Erkrankung ist, die nur mit dem Wissen über die Ursachen und die Abläufe gemanagt werden kann. Wie kann das Problem gelöst werden? Sicher ist, dass das Einbringen von Ohrentropfen, wie immer sie auch heißen mögen, nicht ausreicht.

Bei einer lange bestehenden Otitis muss zunächst die Frage beantwortet werden: „Ist das Problem noch konservativ zu lösen oder erfordert es chirurgische Maßnahmen“.

Hierzu sind Röntgenaufnahmen des Schädels, unter Umständen auch ein CT erforderlich. Weisen in diesen Röntgenaufnahmen die Gehörgänge oder die Paukenhöhle erhebliche Knochenveränderungen auf, oder ist die Paukenhöhle komplett mit Sekret gefüllt, ist eine konservative Lösung nicht mehr möglich. In solchen Fällen ist aber die Operation für den Hund und für den Besitzer eine unglaubliche Erleichterung. Viele Besitzer von operierten Hunden berichten, dass ihr Tier sich völlig verändert habe, fröhlicher und agiler geworden sei. Diesen Berichten kann man sicher Glauben schenken, weil die Operation einen chronischen Schmerzzustand beendet.

Worin besteht die Operation?

Bei der Operation wird der erkrankte Gehörgang komplett entfernt. In unserer Klinik wird diese OP grundsätzlich wegen der erheblichen technischen Schwierigkeit nur von Dr. Maurer persönlich durchgeführt. Das Risiko liegt in einer Verletzung des Gesichtsnerven. Absolut zwingend ist es, eine Bullaosteotomie, also eine Eröffnung der Paukenhöhle durchzuführen, um das dort hineinreichende sekretorische Epithel zu entfernen. Unterbleibt dies, führt die Operation zu nicht endenden Abszessbildung und zu Fisteln.

Was sind die Ursachen?

Atopische Otitis

Atopisch bedeutet, dass eine allergische Ursache zugrunde liegt. Viele allergische Hunde jucken sich am ganzen Körper und haben auch generalisierte Hautveränderungen. Es gibt aber auch Tiere, die lediglich im Bereich der Ohren allergische Reaktionen zeigen.

Zu Beginn ist die Ohrmuschel und der Eingang zum Gehörgang etwas gerötet und juckt. In diesem Stadium findet man aber noch keine erheblichen Veränderungen. Wenn hier konsequent und ursächlich behandelt wird, kann der Besitzer dieses Problem mit wenig Aufwand beherrschen, indem die Ohren in der richtigen Art und mit dem richtigen Mittel gereinigt werden. Oft aber wird dieses Stadium übersehen. Der Gehörgang verfügt über Drüsen, die Ohrenschmalz, Cerumen, produzieren. Je stärker der allergische Reiz ist, desto stärker ist die Schmalzbildung. Man erkennt dies an den typischen schwarzen Krusten im Gehörgang eines betroffenen Hundes.

Wie jede Haut, die gereizt wird, beginnt, unabhängig von der Ursache, auch im Gehörgang ein Prozess mit vermehrter Schuppenbildung, weil die „Haut„ im Gehörgang sich schneller erneuert, d.h. die tiefen Schichten wachsen schneller nach, die obersten Schichten werden schneller abgestoßen. Zusammen mit dem Ohrenschmalz ergibt dies eine nicht unerhebliche Menge an Schmutz, an Detritus. Dies ist der Nährboden für Infektionen mit Bakterien und Hefepilzen, die dann letztlich für das ganz schlimme Ohr sorgen.

Solange der Ohrkanal gesund ist, reinigt er sich selbst. Die relativ geringen Mengen an Detritus gelangen beim gesunden Ohr nach außen. Völlig anders ist dies aber beim gereizten, entzündeten Ohr. Die Haut im Ohrkanal schwillt an, der Gehörgang wird so immer enger, schließlich ist er komplett verlegt. Die Sekret-und Detritusbildung geht aber unvermindert weiter. Alles, was im Ohr produziert wird, Sekret, Hautschuppen, Eiter, kann nun aber nicht mehr nach außen gelangen. Was passiert? Statt nach außen sucht sich jetzt dieser Schmutz den Weg des geringsten Widerstands, und der liegt nach innen, Richtung Trommelfell, welches das Mittelohr und die Paukenhöhle vom äußeren Gehörgang trennt.

Jetzt wird die Krankheit wirklich ernst. Wenn der Druck der Sekretmassen auf das Trommelfell groß genug ist, wird es einreißen und der Schmutz wird in das Mittelohr gelangen. Es entsteht jetzt die Mittelohrentzündung, zum Teil mit fatalen Folgen wie Gleichgewichtsstörungen, Nystagmus, Fieber.
Unter Umständen verschließt sich das Trommelfell in einer Phase der Besserung wieder, der Schmutz ist dann praktisch im Mittelohr eingeschlossen und sorgt dort für eine fortwährende Infektion. Wird in solchen Fällen nicht auch das Mittelohr mit untersucht und behandelt, wird es nie zu einer Ausheilung kommen, weil ein andauernder Ping-Pong-Effekt entsteht: Infektion Mittelohr – Infektion äußerer Gehörgang – Infektion Mittelohr.

Wie wird in unserer Klinik vorgegangen?

Bei schweren Fällen mit starker Schmerzhaftigkeit, muss die Erstuntersuchung zumeist in Narkose erfolgen.
Nach dem Reinigen der Gehörgänge unter endoskopischer Kontrolle mit kontinuierlichem Saugen und Spülen, kann

  • bis zum Trommelfell gesehen werden: Inspektion mit dem Endoskop, bei Veränderungen:
    • Entnahme zytologischer und bakteriologischer Proben aus dem Mittelohr.
    • Bakteriologische und zytologische Proben aus dem äußeren Gehörgang. Auf diese Weise gelingt es, die Erreger (Pseudomonaden, Staphylokokken und Malassezien) zu identifizieren und über einen Resistenztest das wirksamste Antibiotikum zu finden.
  • nicht bis zum Trommelfell gesehen werden, weil der Gehörgang vollkommen zugeschwollen ist. In diesen Fällen ist zuerst eine Reinigung soweit als möglich und eine abschwellende Behandlung notwendig. Sie hat zum Ziel, die Schwellung abklingen zu lassen, die Wände des Gehörgangs wieder glatt werden zu lassen, damit ein ungestörter Sekretabfluss möglich wird. Sind die Veränderungen irreversibel, hilft nur die chirurgische Intervention.
  • Einweisung des Besitzers in die richtigen Reinigungstechniken und regelmäßige Kontrolle des Erfolgs.
  • Eine langfristige Behandlungsstrategie, die es dem Besitzer ermöglicht, möglichst ohne tierärztliche Hilfe den Prozess selbst zu kontrollieren.

In Fällen, die bereits chronisch sind, in denen das Mittelohr in den Krankheitsprozess einbezogen ist, oder die Gehörgänge vollständig verknöchert sind, hilft oft nur das chirurgische Vorgehen.
Dabei erfolgt eine Ablatio des Gehörgangs und eine Bullaosteotomie (Eröffnung der Paukenhöhle), um alle Teile des sekretorischen Epithels des Gehörgangs zu entfernen. Dies sorgt für eine dauerhafte Lösung und vor allem für Schmerzfreiheit.